Nach Ambrym zu kommen war wie üblich für westliche Verhältnisse abenteuerlich. In der Office von Air Vanuatu erfuhren wir, dass alle Flüge für die kommenden zwei Wochen ausgebucht waren, aber bekamen die Nummer von ‚Jonas‘, der für Belair arbeitet. Wir riefen ihn an, trafen uns beim Schulfest und konnten uns aussuchen, wann wir fliegen wollen. Nicht dass Belair täglich fliegen würde, aber es verhält sich hierzulande mit den Flugzeugen wohl so, wie mit den Bussen andernorts. Wenn genügend Passagiere da sind, wird geflogen. So kam es dann auch, dass unser Abflugdatum erst um einen Tag, und dann auch noch mal um ein paar Stunden verschoben wurde. Beim Checkin wurde nicht nur unser Gepäck auf einer kleinen Personenwaage gewogen, auch wir mussten uns drauf stellen und alle Zahlen wurden feinsäuberlich notiert und zusammengezählt. Der Tower und gleichzeitig Wartesaal war ein ausgebranntes Gebäude ohne Dach. Aber letztendlich saßen wir mit 6 anderen Passagieren und dem Piloten in einer kleinen Propellermaschine und rauschten über die Graspiste in die Luft. Der Copilotenplatz blieb frei.

Während mich Vanuatu bisher an meine romantisch verklärte Version von dem, was ich vor unserer Uganda-Ruanda-Reise von Zentralafrika erwartet hatte erinnerte, kommt Ambrym tatsächlich dem, was ich mir unter Vanuatu vorgestellt hatte, sehr nahe. Die Hauptstraße ist eine kleine, nur mit Allrad befahrbare Piste. Aber es gibt so wenig Autos, dass man so gut wie alles zu Fuß erledigt. Jeder kennt jeden und die Großfamilien leben in Höfen (sog. Dörfern) zusammen. Mit Mangobaum, Kavabar und ggf. Friedhof in der Mitte, ein paar Hütten und Gärten drumherum. Dazwischen verteilen sich zufällig Hühner, Hunde und Schweine. Diese Höfe / Dörfer reihen sich um einen Shop, in dem es Dosensardinen, Reis und Wasser gibt, manchmal ist noch eine Kirche oder Schule zugegen. Bei Sam, wo wir schlafen, gibt es abends Strom aus dem Generator, der über wild gespannte Kabel von Haus zu Haus verteilt wird. Die Kinder wachsen mit einem Messer in der Hand auf, sogar die kleinsten, die grade laufen können tragen ein Buschmesser bei sich, das halb so groß ist, wie selbst. Wer hier kein Messer hat, der kann nichts essen, wurde uns erklärt. Neben Essen ist Trinkwasser ein großes Problem. Seit zwei Jahren gab es keinen richtigen Regen. Die Trockenheit war so groß, dass es Wasser- und Reis-Hilfslieferungen aus Australien und Neuseeland benötigte, um das Überleben zu sichern. Gewaschen und gekocht wurde mit Meerwasser, um bloß keinen Tropfen des wertvollen Süßwassers zu vergeuden. Hinzu kommt, dass durch die nahegelegenen Vulkane der Regen i.d.R. sauer ist, wodurch in den Gärten nur wenige, robuste Pflanzenarten (wie Kürbis oder Maniok) wachsen können. Eine Wüste inmitten des dichten, grünen Dschungels. Für uns Europäer ist der Klimawandel hier kaum sichtbar, alles ist so üppig und blüht, aber die Menschen, die hier leben, haben zu kämpfen. Nach den anfänglichen Regentagen in Santo hatten wir fast durchgehend „Glück“ mit dem Wetter. In der Regenzeit, in der wir uns befinden, ist das für die Ni-Vatus fatal. In dem Ort, in dem wir uns grad befinden, ist vor ein paar Tagen jemand verstorben. Am Tag seiner Beerdigung (die ist hier i.d.R. 1-2 Tage nach dem Tod) hat es schon nachts angefangen zu regnen und für einen Tag und eine Nacht wurde die brennende Sonne und die Trockenheit von dicken Wolken und Wassermassen abgelöst. Dies sei das „last blessing“ des Verstorbenen. Der lang ersehnte Regen als letzte Segnung an seine Hinterbliebenen, die er aus dem Totenreich schickt.

 

Wir haben mit einer Unterbrechung inzwischen einige Tage in Craig Cove verbracht und fühlen uns sehr willkommen. Dem Kava haben wir eine zweite Chance gegeben, und durch die Touristenprivillegien durfte auch ich zwischen den Männern unterm Brotfruchtbaum sitzen und den bitteren Wurzelsaft trinken. Frauen trinken ihren Kava hinter verschlossenen Türen. Die Emanzipation lies ich auch an anderer Stelle unbeabsichtigt anklingen, indem ich nur meine Wäsche wusch. Dass Männer hier selbst waschen kommt offenbar nicht vor und ich erntete sehr verwunderte, gar ungläubige Blicke (und wir reden hier vom Waschen mit Holzbrett, Bürste und kaltem Wasser).

Anders als bisher ist es hier nachts richtig laut. Die Flughunde, herunterfallende Früchte, Zikaden und Vögel bilden zum Einschlafen zusammen mit dem Brummen des Generators ein Orchester, dass seines gleichen sucht. Wie überall hier melden sich um Mitternacht, drei Uhr und zu Sonnenaufgang die Hähne zu Wort. Wenn sich das Kokosnussausscharbgeräusch dazu mischt, ist es für uns Zeit aufzustehen, da dies das Frühstück ankündigt. Während die Einheimischen meist Obst (Ananas, Mango, gekochte Banane) frühstücken, gibt es für uns zum Obst noch eine Art Pfannkuchen oder Brot mit Coconutjam, in das ich mich immer noch hineinsetzen könnte.

Bei klarem Wetter ist Sternhimmel ist gigantisch, aber was mich nicht loslässt, ist bei Nacht das rote Glühen der Lavaseen von Mt Marum und Mt Benbow in den Wolken. Die Einheimischen sagen, dass es hier Magie gibt, und ich bin versucht es ihnen zu glauben. Ein Teil von mir wird hierbleiben, auf dieser wundervollen kleinen Insel.