Die Autorin und Bloggerin Ina Steg hat mit mir über Theaterfotografie gesprochen. Entstanden ist ein wundervoller Artikel, der schon längst überfällig war.
Aber auch hier möchte ich ein paar Worte verlieren, wie ich zur Theaterfotografie fand.
Ins Theater bin ich schon immer viel gegangen. Als Gundschulkind hatte ich gemeinsam mit einer Freundin ein Abo für das Theater im nächsten Ort, einmal im Monat putzten wir uns nach eigenem Ermessen fein heraus und sahen Die Zauberflöte, Die kleine Hexe, Der Nussknacker und vieles mehr.
Als Studentin in einer anderen Stadt waren es unter anderem die vergünstigten Studententickets, die mich regelmäßig ins Theater zogen. Ein paar Jahre später heiratete ich sozusagen in eine Theaterfamilie ein, meine Schwiegermutter leitet das Kölner Kabarett-Theater Klüngelpütz, mein Schweigervater hat das Theaterpädagogische Zentrum, sowie das Zirkus- und Artistikzentrum Köln ins Leben gerufen.
Mit der Theaterfotografie begann es, als ich während des Studiums an der Fotoakademie den Auftrag bekam „Die Produktion von“ zu fotografieren. Während meine Kommiliton:innen zu Geigenbauer, Winzer u.ä. zogen, war für mich klar, dass ich die Produktion eines Theaterstückes dokumentieren wollte. So kam es, dass ich vier Woche eine Kollaboration zwischen Schauspieler:innen, Artist:innen und Musiker:innen dokumentierte, die gemeinsam in einem sehr freien Schaffungsprozess interdisziplinär ein Stück entwickelten. Diesen Prozess zu begleiten hat mich und meinen Blick auf das Theater sehr geprägt. Es ging dabei nicht darum ein klassisches Stück in einer neuen Interpretation auf eine große Bühne zu bringen, sondern darum Dinge auszuprobieren. Sich auf Neues einzulassen, seine Komfortzone zu verlassen und etwas zu erschaffen, das nur im Zusammenspiel Aller entstehen konnte.
Hierbei begegnete ich auch schon den ersten Tücken der Theaterfotografie und sechs Jahre später glaube ich, dass ich im Theater bzw. Zirkus (dabei spreche ich stets vom modernen Artistik-Zirkus) einen großen Teil meiner technischen Fähigkeiten erlangt habe. Im Theater und Zirkus ist es prinzipiell sehr dunkel, die Kontraste sind sehr hoch. Unsere Augen sind viel besser als eine Kamera in der Lage, schwierige Lichtsituationen zu kompensieren. Gleichzeitig gibt es unerwartete, mitunter schnelle Bewegungen. Dadurch kann ich einerseits nur kurz belichten, was der schlechten Lichtsituation zuwider läuft, andererseits muss ich selbst sehr schnell sein und „wissen“ wann wo was passiert.
Am liebsten fotografiere ich bei einer Probe auf der Bühne, bewege mich zwischen den Schauspieler:innen und Artist:innen. Diese Fotos sind viel näher und intensiver. Der Blick vom Zuschauerraum ist viel zu distanziert. Das Theater zieht einen in den Bann. Hat man lediglich Bilder von einem Stück, fehlt die Musik, die Stimmen, ein großer Teil der Atmosphäre. Um das auszugleichen muss ich nah an die Darsteller:innen heran, Momente finden, in denen die Schauspieler:innen ganz eins mit ihrer Rolle sind. Die Spannung einfangen, die schon fast die Luft zum knistern bringt. Anfangs hieß das für mich, dass ich mich jedes Stück einmal angesehen habe, bevor ich es dann bei der nächsten Probe fotografiert habe. Inzwischen habe ich genug Übung, dass ich mir den Ablauf kurz erzählen lasse und direkt fotografiere. Das zu erreichen hat einige Jahre und Vorstellungen gebraucht, hilft mir inzwischen aber auch sehr bei anderen Aufträgen.
Es ist ein seltsames Gefühl, wenn ich ein Stück fotografiere. Ich tauche so sehr ein, dass ich vieles um mich herum gar nicht mehr wahrnehme. Als Fotografin bin ich häufig einer der ersten Außenstehenden, die das Stück (fast) fertig sehen. Einmal wurde ich nach dem Stück gefragt, was ich davon halten würde, wie sich die Musik peu à peu verändert, von einem harmonischen Stück immer schräger und schiefer wird. Ich hatte es nicht wahrgenommen. Bei der Premiere, die ich als Zuschauerin sah, war mir unbegreiflich, wie es mir nicht hatte auffallen können, wie sehr die Musik sich verändert. Aber wenn ich fotografiere wird so etwas offenbar nebensächlich für mich.
Vielleicht ist es auch das, was ich an der Theaterfotografie so mag, das Menschliche dazwischen. Mit einem Regisseur hab ich schon häufig zusammen gearbeitet, in Zusammenarbeit mit ihm habe ich die Möglichkeit mich sehr viel mehr in das Stück einzubringen, anstatt es wie sonst nur zu dokumentieren. So bin ich, obwohl ich „nur“ Fotografin bin, beim ersten Treffen mit den Schauspieler:innen mit dabei, kann Gedanken zum entstehenden Stück äußern, bin sehr frei, was die Umsetzung des Plakates angeht. Z.T. konnte ich Filme und Bildsequenzen, die in dem Stück verwendet wurden beisteuern. So wird aus der dokumentarischen Theaterfotografie auf einmal ein gemeinsamer Schaffensprozess, was mich persönlich sehr erfüllt.
Nach einigen Jahren in diversen Theatern kannte ich die ersten Fettnäpfchen und Fallstricke (nach der Generalprobe wird nicht applaudiert, man spuckt sich vor der Premiere über die Schulter und wünscht sich „Toi Toi Toi“, niemand! läuft über den frisch geputzten Tanzboden usw.). Ich kannte Schauspieler:innen und wusste wie es wo zugeht. Nach und nach wurde mir aber bewusst, dass der Blick der Zuschauer:innen sich nur auf das Geschehen auf der Bühne richtet, etwas ganz essentielles aber verborgen blieb. Die künstlerischen Leiter:innen der jeweiligen Bühnen. Die Menschen, die die Idee, vielleicht auch Vision, ihres Theaters umsetzen. Manche Theater sind politisch, andere richten sich an Kinder, wieder andere sind extrem experimentell. Vor allem die kleinen Theater sind ein Spiegel der Persönlichkeit Ihres bzw. Ihrer künstlerischen Leiter:in, es sind für mich die „Bühnenseelen“. Diesen Menschen wollte ich zeigen, ihnen eine Bühne bieten. Für mich sind sie, neben den großartigen Schauspieler:innen, der Kern der Kölner Theaterszene. Somit portraitierte ich über 1,5 Jahre ca. 50 künstlerische Leiter:innen / Intendant:innen der freien Kölner Theaterszene. Ich traf mich mit jedem an einem Ort seines/ihres kreativen Schaffens. Und so wie ich bei der Bühnenfotografie versuche den Moment der Rolle einzufangen, versuchte ich auch bei diesen Menschen ihre Persönlichkeit zu erfassen. Manchmal fand ich diesen Moment nach 15 Minuten, manchmal tranken wird vorher dreieinhalb Stunden lang Kaffee und unterhielten uns, bis genug Vertrauen und Offenheit da war, um den Menschen, und nicht nur eine Maske, zu zeigen. Die Serie „Bühnenseelen“ wurde im Rahmen der letzten Kölner Theaternacht (Oktober 2019) ausgestellt, die einzelnen Portraits sind auch auf meiner Website zu sehen.