Bei meinem Projekt Cutan handelt es sich um eins meiner Diplomprojekte der Fotoakademie-Koeln. Ich beschäftige mich darin kurz gesagt mit unserem Umgang mit Lebensmitteln. Die Stillleben, sind an die Arbeit eines der ersten spanischen Stilllebenmaler, Juan Sánchez Cotán, angelehnt.
Die Produktion unserer Lebensmittel, der Umgang damit und die Industrie, die dahinter steht, sind stark diskussionswürdig. Auf geraden Wuchs gezüchtete Gurken, eingeschweißtes Gemüse, größensortierte Eier, Fleisch aus billiger Massentierhaltung sind alltäglich. Viele Bewegungen, Subkulturen und Gruppierungen wie beispielsweise Straight Edge oder Foodsharing beschäftigen sich mit dem Thema Essen. Biowurst, Flugpapaya, Tiefkühlware, all das umgibt uns täglich. Was auf unserem Teller landet, wird zum Statement.
In meiner Arbeit möchte ich mich mit Essen im Kontext unserer Gesellschaft auseinandersetzen. Der strenge Aufbau der Stillleben Cotáns ermöglicht eine starke Variation der dargestellten Produkte, um die unterschiedlichen Facetten der handelsüblichen Lebensmittel zu veranschaulichen. Cotán schafft durch das Licht und die detailgenaue Abbildung eine große Nähe, durch Aufbau und Gestaltung eine Distanz zwischen dem Betrachter und den abgebildeten Früchten. Diesen Widerspruch greife ich in meiner Arbeit auf, um die Spannung, die das Thema Essen mit sich bringt, aufzuzeigen. Dabei erhebe ich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern möchte punktuelle Einblicke geben.
Stillleben hatten immer auch die Funktion, eine Aussage über einen Menschen zu treffen. Häufig wurden die Reichtümer des Auftraggebers gezeigt, oder in Fastenstillleben seine Fähigkeit zur Mäßigung. In meiner Serie gibt es keinen Auftraggeber, viel mehr möchte ich mich, davon befreit, mit dem Menschen als Konsumenten auseinandersetzen.
Dadurch, dass ich vegetarisch aufgewachsen bin, musste ich mich zwangsläufig schon früh in Interaktion mit meinem sozialen Umfeld mit dem Thema Essen auseinander setzen. Als ich vor einigen Jahren beschloss vegan zu leben, potenzierten sich die Reaktionen. Inzwischen weisen viele Speisekarten veganes Essen auf, das Thema ist gesellschaftlich akzeptierter. Aber auch ohne den vegetarisch / veganen Aspekt fällen wir bei jedem Kauf eine Entscheidung. Bio, regional, saisional oder doch exotisch, neu entdeckte alte Züchtungen oder zum Verzehr bereit praktisch abgepackt. Mir war stets die Reflexion über das, was wir essen, wichtig. Konzerne wie Monsanto und Nestlé greifen mit ihrer Firmenpolitik stark in das Leben fast jedes Menschen ein. Flüchtlinge arbeiten als billige Arbeitskräfte unter schlechtesten Bedingungen in spanischen Gewächshäusern, damit extrem billiges Gemüse über lange Strecken im LKW zu uns transportiert wird. Große Mengen von noch verwertbarem Essen werden jeden Tag aus den unterschiedlichsten Gründen weggeworfen. Es lassen sich viele solcher Beispiele finden. Dies zu reflektieren und bewusst eigene Entscheidungen zu treffen – wie auch immer die aussehen mögen – ist uns als Menschen gegeben und ich halte es auch für erforderlich. Meine Arbeit soll einen Beitrag leisten, dahingehend zum Nachdenken anzuregen.
Die Komposition meiner Bilder ist stark von den Vorlagen Cotáns vorgegeben, Standpunkt und Anschnitt werden vom Original übernommen. Da eine realistische Abbildung der Früchte geplant ist, wird eine mittlere Tiefenschärfe (förderliche Blende) gewählt. Um dennoch einen Eindruck von Dreidimensionalität zu erhalten, wird über die Gestaltung der Rahmen mitgenutzt. In den meisten Stillleben werden auch auf dem Rahmen Objekte drapiert, nicht zuletzt, um die lange Basislinie zu durchbrechen und so für etwas mehr Spannung zu sorgen.
Die Farben der Früchte sollen natürlich, aber satt und kräftig sein, somit geben sie der großen dunklen Fläche im Hintergrund einen starken Gegensatz. Sie wirken so lebendig und greifbar, durch die fast schwarze Fläche aber separiert und ausgestellt. Die durch den dunklen Hintergrund entstehende Distanz wurde bereits diskutiert. Innerhalb des einzelnen Bildes werden die Farben dezent aufeinander abgestimmt, damit das Bild in sich an Zusammenhalt gewinnt und der Bezug der dargestellten Lebensmittel zueinander erkennbar ist. Ziel ist es, eine Varianz dessen, was wir essen, aufzuzeigen, eine zu einheitliche Farbgebung jedes einzelnen Bildes könnte zu sehr dominieren und diese überdecken, kann aber somit auch bewusst als Stilmittel eingesetzt werden.
Die Rahmen innerhalb einzelner Stillleben werden thematisch auf die Früchte / Lebensmittel abgestimmt. Anders als bei Cotán haben alle Rahmen im weiteren Sinne mit Holz zu tun, um einen Bezug zum Organischen herzustellen. Der Zustand, in dem das Holz sich befindet, spiegelt den Zustand der Lebensmittel. Auch der Hintergrund verfolgt dasselbe Prinzip, auch wenn dieser sehr dunkel gehalten ist, um die dadurch erzeugte Distanz und Separation zu erzielen. Das Aufhängen der Früchte ist nicht nur als Referenz an die Gemälde, sondern auch inhaltlich zu verstehen. Kompositorisch findet durch die vertikalen Linien der Schnüre eine starke Trennung innerhalb der Bilder statt. Gleichzeitig sind die Lebensmittel durch die Hängung losgelöst. Sie schweben getrennt voneinander, dieses Element ist in allen Bildern wiederzufinden. Es symbolisiert für mich, wie wenig a priori festgelegt ist, was für eine Bedeutung einem bestimmten Lebensmittel, z.B. einer Möhre oder einer Kartoffel, beigemessen wird. Diese wird erst im Betrachten des Gesamtbildes sichtbar. Erst durch Anbau, Verpackung, Weiterverarbeitung bekommt die einzelne Frucht die Wertung, die wir ihr geben. Es liegt an uns, was wir daraus machen.
Die abgeschlossene Serie umfasst sechs Bilder, sie sind als Fine Art Print gedruckt auf Hahnemühle Photorag.